Glasfaser aus Österreich: Warum der Strom beim Herstellungsprozess immer verfügbar sein muss, erzählen uns Reinhard Apfelthaler und Christian Zwettler von NBG im Interview.

,,Für NBG Fiber sind die Stromversorgungsanlagen lebenswichtig.“

Bitte erklären Sie uns kurz, wie bei NBG Fiber die Produktion der Glasfaser-Rohlinge abläuft. Wie darf man sich das als Laie vorstellen?

Christian Zwettler: „Grob gesagt, wir starten mit einem Quarzglas und bauen darauf zwei Prozesse auf. Im ersten Schritt wird das Kernglas und im zweiten das Mantelglas gefertigt. Dieser rein chemische Prozess ist sehr komplex und muss hohe Ansprüche wie höchste Reinheit erfüllen, damit die Glasfaser auch die Eigenschaften hat, welche wir zur weiteren Nutzung brauchen.“

Wie lange dauert die Herstellung eines solchen Glasfaser-Rohlings?

Christian Zwettler: „Bis eine Preform fertig ist brauchen wir 7 Tage. Unsere Zykluszeiten sind sehr lange. Wenn eine Prozesskette gestartet ist, dann durchläuft die Preform eine Maschine nach der anderen, je nach Maschine zwischen 20 bis 27 Stunden. Darin liegt auch die Schwierigkeit. Passiert etwas Unerwartetes in der Maschine, fällt zum Beispiel die Lüftung aus oder funktioniert die Gasversorgung nicht, dann ist unser Produkt kaputt.“

 

Reinhard Apfelthaler und Christian Zwettler im Interview
Reinhard Apfelthaler und Christian Zwettler im Interview

 

In ganz Europa betreibt NBG Fiber momentan das einzige Glasfaser-Preform-Werk. Wie kam es zu dem Standort im beschaulichen Waldviertel?

Christian Zwettler: „Der Standort ist vom Eigentümer Karl Bauer fixiert worden. Nachdem die NBG Gruppe bereits in Gmünd angesiedelt war, hat es sich hier gut angeboten, die weiteren Firmen der NBG Gruppe zusammenzuziehen. Mit den kürzeren Wegen gelingt zugleich eine bessere Abstimmung untereinander. Bei der Standortwahl wurde auch die Infrastruktur betrachtet. Unsere Ansprüche waren etwa ein 20 kV Anschluss, die erforderliche Bauhöhe und eine gute Lieferantenkette. Es hat sich gezeigt, dass in Gmünd alles gut verfügbar ist.“

Seit mehr als 25 Jahren liegt die Kernkompetenz von NBG im Bereich der Glasfasertechnik. Gab es einen speziellen Grund, weshalb NBG Fiber nun die Produktion der Glasfaser-Rohlinge in die eigene Hand genommen hat?  

Christian Zwettler: „Die ganze Idee zum Preform-Werk ist eigentlich entstanden, weil sich wenige große Weltkonzerne die Preform-Produktion teilen. Und die bestehenden Werke, die Fasern verarbeitet haben wie auch NBG, hatten das Problem, dass Faserknappheit herrscht. Damit man sich hier unabhängiger positionieren kann, hat man sich dazu entschieden die Preforms selbst herzustellen.“

Welche Vorteile kann NBG Fiber bieten?

Christian Zwettler: „Weltweit gibt es nur 8 Firmen die Preforms herstellen. NBG Fiber produziert die größten Preforms mit einer Länge von 2,5 Metern. Das macht sonst keiner, die bisherigen Standard-Preforms sind meist 1 bis 1,5 Meter lang. Je länger die Preforms sind, desto mehr Kilometer Glasfasern können daraus gezogen werden. Hier liegt unser großer Vorteil.“

Was passiert im nächsten Schritt mit den hergestellten Preforms, wie kommt man in weiterer Folge zur Glasfaser?

Christian Zwettler: „Wir haben einen Ziehpartner in Europa, der aus den Preforms in weiteren Schritten die Glasfasern zieht. Bei unseren Fasern benötigen wir 40 Meter hohe Ziehtürme. Das ist auch hier in Gmünd in den nächsten Jahren eine Überlegung. Allerdings bräuchten wir für unsere Kapazitäten viele Ziehtürme und momentan ist der Ziehprozess gut mit unseren europäischen Partnern abgedeckt.“

 

Ein Einblick in den Produktionsprozess von NBG
Ein Einblick in den Produktionshalle von NBG

 

Glasfaser ist in Verbindung mit dem heimischen Internet-Ausbau häufig in den Nachrichten. In welchen anderen Bereichen wird Glasfaser noch eingesetzt?

Christian Zwettler: „Glasfaser ist den meisten von der Übertragung bekannt. Bei einem Kupferkabel ist bei 40 Megabit pro Sekunde Schluss. Bei Glasfaser gibt es bei der Bandbreitenübertragung kein Ende und jetzt, mit Corona und Home-Office, ist eine schnelle Datenübertragung mehr gefragt denn je. Man sieht es ja selbst, die Vernetzung wird immer einfacher, egal wo man gerade auf der Welt ist. Glasfaser wird auch immer häufiger in der Messtechnik bzw. Sensorik verwendet. Mit Glasfaser kann man diverseste Bereiche aktiv messen: Ausdehnung, Gewichte, Lärm, Temperaturen. Somit wird das Thema Glasfaser-Sensorik immer wichtiger.“ 

Heutzutage wird in der Technik auch schon vom Zeitalter des Glases gesprochen. Welchen Stellenwert hat Glasfaser für unsere moderne Gesellschaft?

Christian Zwettler: „Umso mehr Glasfaser verlegt wird, umso besser ist die Nutzung der Netzwerke. Alles, was 5G betrifft, muss bis zur letzten Spitze mit Glasfaser ausgestattet sein und darf nicht durch Kupfer unterbrochen werden. Je mehr Glasfaserkabeln verlegt werden, desto mehr Bandbreite steht zur Verfügung. Deshalb werden die Ansprüche schon jetzt größer, die Glasfaser soll noch dünner sein als der bisherige Standard der 125 µm. Im Zeichen der Smart City muss alles miteinander kommunizieren, 5G ist vor allem für die Automobil und E-Mobilität wichtig. Zum Beispiel kann bei Parkplätzen Glasfaser eingelegt werden. So kann man einen Echtzeitüberblick darüber bekommen, welche Parkplätze noch verfügbar sind und die Autos gleich zum freien Parkplatz leiten. Oder bei einer Ampel kann mithilfe von Glasfaserkabeln, die in der Straße verlegt sind, registriert werden, wie viele Autos bereits bei der Ampel warten und so den Verkehr je nach Lage steuern, um Wartezeiten zu minimieren. Nach oben hin sind alle Möglichkeiten offen, die Vernetzung und Intelligenz nimmt so immer mehr zu.“

In Zeiten der Digitalisierung und Automatisierung sollte sich jedes Unternehmen die Frage stellen, wie kritische Netzsituationen vermieden werden können. Welche Folgen hätte ein Stromausfall in der Produktion?

Christian Zwettler: „Wir würden den gesamten Produktionsfortschritt verlieren. Das ist der Grund, warum wir diese hohe Ausfallsicherheit bei der Stromversorgung haben, unter anderem eine Ringversorgung und 2 Trafos. Die USV-Anlagen haben wir redundant ausgelegt und zusätzliche Sicherheit mit dem Notstromaggregat geschaffen. Wir brauchen einfach diese hohe Energie-Verfügbarkeit, denn wenn irgendein Prozess ausfällt, dann ist unser gesamtes Produkt fehlerhaft.“

Reinhard Apfelthaler: „Bei einem 5 minütigen Stromausfall würde bereits ein Maschinenschaden auftreten. Als Beispiel: In unseren Öfen ist ein Glasrohr verbaut, welches permanent beheizt werden muss. Kühlt das Glasrohr nur um wenige Grade ab, entstehen Spannungsrisse und die gesamte Maschine nimmt Schaden. Hinzu kommt, dass das Rohr derzeit eine Lieferzeit von fast 4 Monaten hat und nur in den USA und China produziert werden kann.“ 

Wie wurde entschieden, welche Anlagen von der USV und dem Aggregat und welche direkt vom Aggregat versorgt werden?

Reinhard Apfelthaler: „Das hat sich im Laufe der Planung gezeigt. Unsere Produktionsanlagen sind sicher das wichtigste, angefangen bei der Chemieversorgung. Denn bricht diese ab, dann nutzt es uns auch nichts, die weiteren Maschinen am Leben zu halten. So haben wir nach und nach die wichtigen Verbraucher herauskristallisiert und entschieden, welche Systeme wir auf welche Art versorgen.“

Christian Zwettler: „Bei einem neuen Werk ist die Leistungsermittlung schwierig, weil man natürlich noch keine Vergleichswerte bzw. wenig Erfahrung hat. Darum haben wir uns Reserven parat gehalten, die USV-Anlage auf 2 mal 800 kVA ausgelegt, aber vorerst nur mit 2 mal 650 kVA bestückt. Ich persönlich bin ein Fan davon, Anlagen flexibel zu dimensionieren und so auszulegen, dass man sie auch während des laufenden Betriebs leichter bestücken kann. Denn unsere Maschinen ganz abzuschalten, das ist fast ein Ding der Unmöglichkeit!“

 

Der Batterieraum, ausgestattet mit 2 Batterie-Bänken von EnerSys, wurde mit genügend Platz für Wartungsarbeiten dimensioniert
Der Batterieraum, ausgestattet mit 2 Batterie-Bänken von EnerSys, wurde mit genügend Platz für Wartungsarbeiten dimensioniert

 

Mit KESS Power Solutions haben Sie auf einen regionalen Partner gesetzt, der 35 Jahre Erfahrung mitbringt. Welchen Nutzen konnten Sie aus der Zusammenarbeit mit KESS ziehen?  

Christian Zwettler: „Wir haben selbst fleißige Instandhaltungstechniker, aber man kann nicht in jedem Bereich Spezialist sein. Deshalb war es uns wichtig, auf eine Firma zu setzen, die auch gleich das Service anbietet. KESS unterstützt uns fortlaufend mit Software und Wartungen. Denn meistens ergeben sich ja erst im Betrieb gewisse Dinge, die man noch verbessern will. Und jemand, der später das Service macht, denkt auch bei der Planung bereits mehr mit.“

Reinhard Apfelthaler: „Reaktionszeit ist natürlich ein großes Thema. Auch deshalb haben wir uns für KESS entschieden. Für uns sind die Stromversorgungsanlagen lebenswichtig. Wird zum Beispiel eine Batterie undicht, was durchaus mal vorkommen kann, können wir uns für diese Anlagen nicht auch noch Ersatzteile bei Seite legen. Die Strecke von Gmünd nach Horn ist kurz, sollte wirklich einmal eine Störung auftreten, können die Servicetechniker von KESS schnell reagieren.“

Mussten sich die eingebrachten Versorgungssysteme, sprich USV und Aggregat, schon unter Beweis stellen, gab es bereits kritische Situationen?

Christian Zwettler: „Nein, noch nicht. Aber wenn jetzt im Sommer die Gewittergefahr wieder größer ist und ein Blitz in eine Hochspannungsleitung oder ein Umspannwerk einschlägt, werden wir den Härtetest sehen. Das kann um 1 Uhr nachts am Wochenende passieren und trotzdem darf es bei uns im Werk aufgrund der hohen Automatisierung keine Spannungseinbrüche geben sonst fällt die ganze Anlage aus. Da reichen schon Millisekunden ohne Strom. Generell war es ein Riesenknackpunkt, die verschiedensten Szenarien durchzuplanen und scharf zu testen. Was passiert wenn man beim Netz von null wegfährt, was ist wenn bei Vollleistung mitten im Betrieb das Netz wegbricht?  Wie verhält sich das Aggregat beim Anlaufen?“

Die technischen und rechtlichen Gegebenheiten rund um den Neubau bei NBG Fiber haben besondere Lösungen gefordert, hier konnte keine Standardlösung eingesetzt werden. Auf welche Bedingungen mussten Sie besonders Rücksicht nehmen?

Christian Zwettler: „Da wir kein Standard-Werk sind, lag ein Themenpunkt natürlich schon bei der Genehmigung. Schließlich wurden wir nach dem IPPC Verfahren eingestuft. Aufgrund der Nähe zur Grenze mussten wir auch die tschechische Seite über Prag bzw. Budweis mitgenehmigen lassen. Die Schwierigkeit ist wohl, behördlich und technisch alles auf einen gleichen Nenner zu bringen und hier auch den Zugang zum Investor zu finden und klarzumachen, warum die Investition nötig ist.“

Im Nachhinein betrachtet: Würden Sie bei dem Projekt wieder mit KESS zusammenarbeiten, waren Sie mit den Leistungen zufrieden?

Christian Zwettler: „Beim Bau war unsere Philosophie, dass wir die Planung und Ausführung mit Fachfirmen aus der Umgebung durchführen. Die Planer können uns zwar grobe Vorgaben geben, aber die Spezialisten wissen einfach mehr. Bei den Stromversorgungsanlagen war es gut zu wissen wie groß die USV-Anlagen und die Batterien sind. So konnten wir den Raum schon dementsprechend dimensionieren. Wir haben den Batterieraum größer geplant, damit wir leichter nachrüsten können. Eine ausreichende Belüftung haben wir von Beginn an berücksichtigt. Natürlich würden wir wieder mit KESS zusammenarbeiten. Es hat sich auch relativ rasch ein Nachfolgeauftrag bei NBG Tube ergeben.“

 

Das Aggregat verfügt über einen V12 Kohler Motor mit einem Hubraum von mehr als 62 Litern.
Das Aggregat verfügt über einen V12 Kohler Motor mit einem Hubraum von mehr als 62 Litern